Die Panik vieler Webseiten-Betreiber damals war groß: Im Mai 2018 trat die DSGVO in Kraft – die Datenschutz-Grundverordnung. Und obwohl die zugrunde liegende Richtlinie zum damaligen Zeitpunkt sehr lange bekannt war, schienen sehr viele Verantwortliche und Entscheider überrascht zu sein, als es soweit war. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden sich Webseiten-Betreiber der Konsequenzen für die eigene digitale Domäne bewusst.
Vielerorts herrschte regelrecht Verzweiflung sowie eine Lähmung, die in einer allgemeinen Verwirrung mündete – danach teilweise sogar in blindem Aktionismus endete.
Nun wurde eine weitere EU-Richtlinie in nationales Recht gegossen. Diese besitzt ein ähnliches Panikpotenzial wie damals die DSGVO: die BFSGV. Hinter diesem unhandlichen Kürzel verbirgt sich die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Sollte Ihr Web-Auftritt älter als drei Jahre sein, sollten Sie unbedingt weiterlesen ...
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist mit der BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) verwandt, die eventuell vom gleichnamigen Selbsttest bekannt ist, mit dem man die eigene Website auf Barrierefreiheit überprüfen kann. Wobei der Begriff „Barrierefreiheit“ in diesem Umfeld in die Irre führt. Letztendlich werden bei den Maßnahmen zum Bestehen des Tests viele Barrieren nur umgangen oder alternative Zugänge zu den dargebotenen Informationen geschaffen. Daher würde der Begriff „Barrierearmut“ oder generischer „Zugänglichkeit“ besser passen. Die allgemeine Begrifflichkeit der Barrierefreiheit wird jedoch im deutschen Sprachgebrauch generell genutzt, um die Zugänglichkeit für eingeschränkte Personen zu beschreiben.
Ein oft genutztes Beispiel für Barrierefreiheit ist die Rampenanlage (bekannt als Rollstuhlrampe, aber die Anlage bietet natürlich auch Kinderwagen oder Rollatoren eine zugängliche Treppenalternative). Auch hier verschwindet die Treppe (=Barriere) nicht, es wird lediglich eine Möglichkeit geschaffen, die Barriere zu umgehen.
Gleiches gilt dann auch im Bereich der Barrierefreiheit nach BITV. Barrierefreiheit ist de facto eine ganzheitliche Aufgabe, die gleichermaßen die digitale, virtuelle und reale Welt betrifft und auch im Digitalen keine rein technische Aufgabe ist. Eine häufige Barriere in digitalen Angeboten ist beispielsweise mangelnde Lesbarkeit durch unzureichenden Farbkontrast. Das ist eine Designaufgabe, mit der im Corporate Design vorhandenen Farbpalette, die bestmögliche Lesbarkeit für alle zu erreichen. Unzureichender Kontrast gehört übrigens zu den häufigsten Mängeln bei der Barrierefreiheit von Webseiten zusammen mit redaktionellen Fehlleistungen – wie leeren ALT-Texten oder fehlerhaft betexteten Links.
Für digitale Angebote öffentlicher Stellen ist die BITV bereits verpflichtend und betrifft:
Dies bedeutet: Öffentliche Stellen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen ihre Internetangebote mindestens nach dem Konformitätslevel AA der WCAG 2.1 (Web Content Accessibility Guidelines, die Internetinhalte-Barrierefreiheit-Richtlinien) zugänglich sein. Ausgenommen von der BITV sind zum Teil Schulen und KiTas sowie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Für letztere greifen dedizierte Richtlinien über audiovisuelle Mediendienste.
Für nicht-öffentliche Digitalangebote ist nun die BFSGV in Kraft getreten. Die gute Nachricht: Verpflichtend wird sie erst am 28. Juli 2025. Ab diesem Datum müssen auch alle neuen privaten E-Commerce-Angebote, Betriebssysteme, sämtliche elektronischen und digitalen Bankdienstleistungen (wie u. a. auch Bankautomaten), elektronische Kommunikation, audiovisuelle Medien, E-Books und Personenverkehrsdienste nach oben genanntem Standard barrierefrei sein. Für bereits bestehende Angebote gilt zwar noch mal eine 5-jährige Übergangsfrist, aber auch wenn die Verpflichtung und die drohenden Pönalen noch nicht sofort greifen werden, mahnen die eingangs geschilderten Erfahrungen mit der DSGVO zum baldigen Handeln. Je nach Stand der eigenen digitalen Technik und prozessualen Verzahnung mit eventuell barrierereichen und nicht-digitalen Kundenberührungspunkten des Unternehmens oder auch im Mitarbeiterkontext kann Barrierefreiheit eine durchaus herausfordernde Aufgabe werden. Insbesondere dann, wenn man (wie es im Sinne der Nutzer- bzw. Kundenzentrierung richtig wäre) einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Barrierefreiheit in diesem Zusammenhang ist.
Neben dem regulatorischen Zwang, der mit dem Inkrafttreten der BITV 2.0 entsteht, wird oft vergessen, dass sich mit erhöhter und verbesserter Zugänglichkeit eine oftmals vernachlässigte Nutzergruppe mit dem eigenen digitalen Angebot besser erreichen lässt. Für rund 10 % der Menschen ist Barrierefreiheit in allen Bereichen des täglichen Lebens unabdingbar. Für 40 % stellt sie eine signifikante Verbesserung dar und für alle bietet sie größeren Komfort und dadurch im digitalen Kontext ein deutliches Qualitätsmerkmal für die Nutzererfahrung. Somit gibt es auch eindeutige wirtschaftliche Argumente, dieses Thema für das eigene Produkt erfolgreich zu entwickeln.
Bei denkwerk wurden bereits viele Projekte mit Kunden zugänglich umgesetzt. Zum Teil auch unter erheblich größerem zeitlichen Regulierungsdruck. So wurde beispielsweise im Jahr 2018 in den USA eine Vorschrift zu Accessibility von u. a. Flugbuchungsangeboten in IBEs (Internet Booking Engines) vom DOT (US Department of Transportation) erlassen, deren Nichteinhaltung empfindliche Strafen (in ähnlichem Umfang wie bei der DSGVO) nach sich ziehen konnte. Zusammen mit den Stakeholdern und anderen Beteiligten hat denkwerk die gesamten englischsprachigen Auftritte und Buchungsstrecken der damals assoziierten Fluggesellschaften Condor und Thomas Cook Airlines konform nach WCAG 2.0 AA aufbereitet.
Unter ähnlichen Voraussetzungen realisierten wir für Motel One in diesem Jahr die Barrierefreiheit der Website und der Buchungsstrecke für den Markteintritt in den USA mit dem ersten Haus in New York. Auch im Bereich der Hospitality sind die USA den Europäern in Sachen digitaler Barrierefreiheit um Einiges voraus, denn es gelten ähnlich konkrete Regularien wie für die Flugbuchungen. Für dieses Projekt hat denkwerk eine enge Zusammenarbeit mit der Accessibility-Beratungsagentur netz-barrierefrei geknüpft. Agenturleiter Domingos de Oliveira ist selbst blind. Als intensiver Nutzer von assistiven Technologien erreichen seine Analysen nochmal einen höheren Qualitätsgrad. Unseren Kunden vermittelt das – deutlich spürbar – eine noch größere Sicherheit in Sachen BFSGV- und WCAG-Konformität.
Diese Zusammenarbeit werden wir für zukünftige Accessibility-Projekte nach Möglichkeit noch weiter ausbauen.
Für viele unter uns mag das Jahr 2025 noch weit weg erscheinen. Aber: Der Zeitpunkt, um sich dem Thema Barrierefreiheit anzunehmen, ist jetzt. Je nach Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und weiteren Projektbedingungen ist die Analyse und Herstellung der Accessibility nicht im Handumdrehen erledigt. Es benötigt für die richtige Barrierefreiheit heterogene Ressourcen, die frühzeitig eingeplant werden sollten. denkwerk ist hierfür der ideale Partner, weil wir Ihnen ein ganzheitliches Konzept zur barrierefreien Gestaltung in
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• Strategie
aus einer Hand liefern.
Sprechen Sie uns an: Unser Autor und Technical Director Robert Krämer berät Sie, wie Sie Ihre Webseiten mit Barrierefreiheit ins Netz bringen.