Häufig möchten wir uns ein viel rationaleres Kaufverhalten zusprechen, als es die Lehrbücher tun. Wir halten uns für unabhängig, haben die Kontrolle, sind unbeeinflussbar. Trigger – kleine umweltbezogene Impulse – demonstrieren, wie falsch wir liegen. Dieser Artikel soll aufzeigen, wie Unternehmen mit der Macht von Gewohnheits-Triggern einen äußerst stabilen Kontext für Markenkonsum schaffen.
“Niemals”, mögen einige sagen. Doch die Realität sieht möglicherweise anders aus.
“Corona-Brauer AB Inbev erwartet Gewinneinbruch wegen des Coronavirus”, so der Titel eines jüngeren Handelsblatt Beitrags. Im vierten Quartal 2019 brach der Gewinn des in China stark vertretenen Bierherstellers um 5,5% ein. Analysten rechneten mit nur 1,9% Gewinneinbruch, so das Handelsblatt weiter.
Das Ausmaß von Triggern auf unser Kaufverhalten mag in dieser Berechnung zu wenig Beachtung gefunden haben, wie wir nachfolgend erfahren:
So erfährt mit der medialen Aufmerksamkeit des Virus nicht nur die Biermarke per se ein starkes Interesse in der Suche. Die Nutzer verknüpfen Marken-Suchanfragen mit einem scheinbar unabhängigen, aber doch verwandten Reminder: Dem Coronavirus. Diese Aufmerksamkeit kann positiv wie negativ sein. Die Zahlen von AB Inbev könnten für Letzteres sprechen.
Den Trigger Namensgleichheit erfuhr ebenfalls Schokoriegel-Hersteller Mars, nur in umgekehrter Form. Nachdem der Mars-Pathfinder der NASA 1997 auf dem gleichnamigen Nachbarplaneten unserer Erde, dem Mars, landete, erlebte das Event eine lang anhaltende mediale Aufmerksamkeit. In etwa über denselben Zeitraum stellte das Unternehmen einen unüblichen Anstieg in den Abverkäufen des Mars-Schokoriegels fest. Ohne Erhöhung des Marketing Etats. Things could be worse.
Jonah Berger bezeichnet Trigger als umweltbezogene Reminder, die uns an Ideen, verwandte Konzepte – oder auch Marken und Produkte – erinnern. Ein Reminder, das kann so ziemlich alles sein.
Eine Uhrzeit erinnert uns morgens um 09:30 Uhr an unser Knoppers, das „Frühstückchen“
KitKat, „A breaks best friend“, besetzt den Trigger Kaffeepause, also bestimmte Anlässe, mit dem Konsum des Schokoriegels
Eine innere Wahrnehmung bewegt dazu, uns schnell ein Snickers zu genehmigen. Und zwar, wenn wir hungrig sind, und dieses Hungergefühl uns leicht bis mittelmäßig stark gereizt reagieren lässt.
Viele Marken tun es also schon. Sie bedienen sich der Macht von Triggern. Und häufig haben sie dabei eines gemeinsam: Sie verlinken vorhandene Trigger mit einem neuen Verhalten, im besten Fall den Konsum des eigenen Produktes. Wenige Marken schaffen es sogar, neue Trigger zu identifizieren und aus ihnen Gewohnheiten zu formen.
Letzteres tat Claude Hopkins. Der Werbetexter konfrontierte Konsumenten Anfang des 20. Jahrhunderts auf seinen Plakaten mit einer einfachen Werbebotschaft: “Just run your tongue across your teeth”. Dieser Aufforderung kamen die Menschen intuitiv nach. Sie fuhren mit der Zunge über die Zähne. Und sie stellten fest: Ja, da ist ein Belag. Und ja, es gibt eine Lösung: Pepsodent. Für strahlend-weiße Zähne.
Gewohnheiten lassen sich als Auslöser-Routine-Belohnung-Schleife illustrieren, angelehnt an Charles Duhigg, Die Macht der Gewohnheit.
Claude Hopkins bediente sich somit eines Mechanismus, den Journalist und Sachbuchautor Charles Duhigg in seinem Verständnis von Gewohnheiten als Auslöser-Routine-Belohnung-Schleife illustriert. Der Auslöser bzw. Trigger war die Wahrnehmung des Zahnbelags durch die aufgeforderte Zungenbewegung. Durch das implizite Erinnern an die Marke Pepsodent formte Hopkins im nächsten Schritt eine neue Routine – und zwar die des Zähneputzens. Die Belohnung: weiße Zähne und dieses angenehme Frischegefühl im Mund. Ganz ohne Belag. Eine Gewohnheit war geboren. Die Anzahl regelmäßiger Zähneputzer stieg innerhalb eines Jahrzehnts sprunghaft an.
Die eigentliche Macht von Gewohnheiten erklärt Duhigg weiterführend damit, dass sich unsere Hirnaktivitäten nicht erst beim Eintreten der Belohnung erhöhen. Unser Gehirn antizipiert diese vielmehr, da es die Zusammenhänge zwischen Auslöser, Routine und Belohnung zu erkennen lernt. Das macht Gewohnheiten zu Verhaltensweisen, die in einem äußerst stabilen Kontext stattfinden [angelehnt an Bas Verplanken, Zeit]. Quasi im Autopiloten. Und dieser Autopilot kann gleichzeitig einen äußerst stabilen wiederkehrenden Kontext für Markenkonsum und Loyalität schaffen.
Diese kleinen Impulse, die environmental reminder, begegnen uns beinahe überall, ohne, dass wir sie wahrnehmen. Laut einer Studie der Duke University, North Carolina, beruhen rund 40 % unserer Handlungen auf der Macht von Gewohnheiten. Ein Großteil unseres Tuns passiert also im Autopiloten. Die Auslöser, die unseren Routinen vorausgehen, hinterfragen wir dabei nicht. Alles ist darauf ausgelegt, das Gehirn zu entlasten. Umso bedeutsamer ist, dass Marken diese Auslöser identifizieren und mit ihrer Hilfe neue Routine-Belohnung-Schleifen formen.
Diese Aufgabe nehmen wir einer zunehmend dynamischeren Welt als Chance und Herausforderung zugleich wahr. Denn die Art und Weise, wie wir konsumieren, interagieren, zusammenarbeiten oder uns fortbewegen, hat sich grundlegend geändert. Wir lösen alte Gewohnheiten gegen neue ein, verwerfen bestehende Lebenskonzepte, erfahren neue Trigger, die es zu bedienen gilt. Und das häufig in einem ganz neuen Kontext. Marken müssen also vorhandene Trigger konstant überprüfen. Hinterfragen, ob ein Auslöser und sein Kontext noch Bestand haben, oder, ob es gilt, neue Trigger zu identifizieren. Eine Chance, die Macht der Gewohnheiten neu zu besetzen. Pull the Trigger.