Business-to-Employee-Produkte spielen eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Arbeitsabläufe, Zusammenarbeit und Effizienz von Unternehmen und Organisationen. Die Entwicklung von Business-Employee-Produkten stellt viele Unternehmen und UX-Designer jedoch vor Herausforderungen:
Komplexe Fachprozesse bei gleichzeitigem Wunsch nach einer effizienten, intuitiven Bedienung und teilweise schwieriger Zugang zu den Nutzenden, die im Tagesgeschäft eingespannt sind. Das macht auch das Research-Recruiting nicht immer einfach, wobei User Research ein essenzieller Bestandteil einer effizienten, gezielten und risikoarmen Produktentwicklung ist. Wie können wir die spezifischen Anforderungen aller Nutzer:innen adäquat in ein intuitives, effizientes und angenehmes Benutzererlebnis übersetzen, das sich an den tatsächlichen Arbeitsabläufen und Prozessen orientiert? Und: Wie können wir die Kommunikationsschwelle senken und noch besser auf Nutzer:innen zugeschnittene Produkte entwickeln?
Was ist ein Sponsor User?
Nach einer solchen Möglichkeit habe ich, Vanessa Lang, Senior Experience Designer, bei denkwerk, gesucht und sie im Framework „Sponsor User“ von IBM gefunden. Ein Sponsor User ist ein Repräsentant der Zielgruppe, der seine Erfahrung und Expertise in das Team einbringt und somit aktiv in die Produktentwicklung einbezogen wird. Dafür muss die Person die internen Prozesse gut kennen und Fachwissen einbringen können. Sie sollte auch an einem positiven Ergebnis des Produkts interessiert sein, über die zeitliche Verfügbarkeit zur regelmäßigen Mitarbeit verfügen sowie eine gute Kommunikationsfähigkeit haben, um ihre Gedanken und Meinungen klar und prägnant auszudrücken.
Die Einbindung eines Sponsor Users bietet mehrere Vorteile
Erhöhung von Empathie
Durch die Einbindung einer Test-Person wird der Designprozess menschlicher gestaltet und stärker an den Bedürfnissen und Erfahrungen der Nutzenden ausgerichtet.
Verbessern von Ergebnissen
Mit Hilfe von Test-Personen kann das Design-Team ein effektiveres und nützlicheres Produkt entwickeln, das den Zielen des Unternehmens entspricht.
Minimierung von Risiko
Konzepte und Ideen können frühzeitig validiert werden und reduzieren damit den Zeit- und Kostenaufwand. Sponsor Users können frühzeitig ihr Wissen in die Produktgestaltung einbringen und Feedback zu frühen Designkonzepten geben. So wird sichergestellt, dass das Produkt den Bedürfnissen aller Nutzer:innen entspricht.
Akzeptanzverbesserung von Produkten
Sponsor Users können die Akzeptanz des Produkts verbessern, indem sie in ihrem operativen Team als Botschafter für das Produkt fungieren sowie als stetige Verbindung zwischen Usern und dem Produktentwicklungsteam.
Integration eines Sponsor Users in die Produktentwicklung
Eingesetzt und erfolgreich umgesetzt habe ich die Methode im Rahmen der Produktentwicklung eines internen Tools zur Projektverwaltung. Da kundenseits neue fachliche Prozesse in der Auftragsbearbeitung eingeführt wurden, war es notwendig, das Produkt von Grund auf neu zu konzipieren und zu entwickeln. Dies erforderte eine Neuausrichtung des Produkts, angefangen von der Informationsarchitektur über die Prozessabläufe bis hin zur fertig designten Benutzeroberfläche. Die Anforderungen und einzubindenden Prozesse waren sehr spezifisch und die Nutzer:innen waren stark ins Tagesgeschäft eingebunden.
Finden einer geeigneten Person
Die Wahl des Sponsor Users erfolgte in meinem Fall in enger Abstimmung mit der Leitung des User-Teams, das nach Freiwilligen innerhalb des Teams suchte. Dabei war es wichtig sicherzustellen, dass die ausgewählte Test-Person die Zielgruppe gut repräsentiert und regelmäßig mit dem Produkt arbeitet. Es sollte sich um einen operativen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin handeln, die oder der die Erfahrungen und Bedürfnisse der Benutzergruppe aus erster Hand kennt. Eine passende Test-Partnerin hat sich in der größten Nutzergruppe gefunden. Sie arbeitet täglich operativ und ist bereits mehrere Jahre im Unternehmen, wodurch sie die fachlichen Prozesse sehr gut kennt.
Sponsor User ergänzend zu User Research
Um das interne Produkt user-zentriert zu entwickeln, setzten wir eine Kombination aus regulärem User Research und der Zusammenarbeit mit einem Sponsor User der größten und wichtigsten Nutzergruppe ein.
„Die Zusammenarbeit mit einem Sponsor User ist eine wertvolle Ergänzung zum regulären User Research.“
Vanessa Lang, Senior UX-Designerin bei denkwerk
Wichtige Anmerkung: Die Test-Partnerin ergänzt den regulären User Research, ersetzt ihn aber nicht.
Deshalb ergänzt ein Sponsor User den User Research
Faktenbasierte Produktentwicklung
Anders als ein einzelner Sponsor User kann User Research alle User-Gruppen umfassen und umfangreiche, wertvolle Erkenntnisse liefern. Gleichzeitig kann durch die ausreichende Stichprobe von Personen eine Vielzahl von Perspektiven, Erfahrungen und Meinungen berücksichtigt werden, wodurch Verzerrungen reduziert werden.
Kontinuierlich begleitende Fachmeinung
Neben der schnellen und frühzeitigen Evaluation und der damit verbundenen Risiko- und Kostenminimierung ist auch die niedrigere Kommunikationsschwelle ein Vorteil der Arbeit mit Sponsor Usern. Der regelmäßige Austausch und das Vorhandensein einer festen Ansprechperson ermöglichen einen unkomplizierten Austausch, um gemeinsam das Produkt für die Nutzer zu verbessern.
Kombination zwischen Sponsor User und regulärer User Research
Ein Konzept wird durch die Test-Partner:innen entwickelt und kann dann z.B. mittels Usability Testing oder anderen Research-Methoden mit allen Nutzergruppen in der breiten Masse getestet werden. Alle großen und wichtigen Entscheidungen sollten immer mittels UX-Research überprüft werden.
Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit mit der ausgewählten Kollegin erfolgte in regelmäßigen Abständen, in unserem Fall alle zwei Wochen zu Beginn der Produktentwicklung. Wir haben uns gemeinsam Konzepte angesehen, sie gegengeprüft unter Berücksichtigung von Prozessen und Workflows, offene Fragen geklärt, gemeinsam über Lösungen nachgedacht und Konzepte erarbeitet. Ebenso hat unsere Mitarbeiterin Beobachtungen und Wünsche aus ihrem operativen Team mit uns geteilt, so wurden Pain-Points aufgedeckt. Ab einem fortgeschritteneren Status der Produktentwicklung fand der Austausch nach Bedarf statt. Nach zwei Jahren der Zusammenarbeit mit meiner Test-Partnerin hat diese unternehmensseitig zunehmend strategische Aufgaben seitens ihrer Vorgesetzten zugeteilt bekommen, unabhängig ihrer Tätigkeit als Sponsor Userin. Meine Erfahrung der letzten Zeit war, dass sie dadurch „zu viel“ Vorwissen um Planungen innerhalb des Unternehmens für eine Test-Person aufgebaut hat, da ihre Entscheidungen und Meinungen beeinflusst wurden. Es ist deshalb jetzt an der Zeit zu prüfen, ob sie weiterhin Test-Partnerin bleibt oder ein Wechsel sinnvoll sein könnte. Ich kann generell sehr empfehlen, im Laufe der Zeit immer wieder zu überprüfen, ob die Person weiterhin zu den Anforderungen an einen Sponsor User passt.
Fazit
Die Einbindung einer Sponsor Userin in die Produktentwicklung von internen Tools hat für mich zahlreiche Vorteile gebracht: Durch ihre Expertise und Erfahrung konnten spezifische Anforderungen besser berücksichtigt und die Qualität des Produkts verbessert werden. Zum einen war es ein großer Vorteil, Einblick in die Innenperspektive und tatsächlich gelebte Prozesse zu bekommen. Zum anderen empfand ich die niedrige Kommunikationsschwelle als sehr wertvoll sowie die Möglichkeit eines unkomplizierten, regelmäßigen Austauschs mit einer festen, fachkundigen Ansprechperson ohne vorangehendes Recruiting. Auch das Feedback userseitig war sehr positiv: Die Beteiligung an der Produktentwicklung hat zu einer höheren Akzeptanz und Zufriedenheit geführt und unsere Kollegin wurde zur Botschafterin des Produkts in ihrem operativen Team.
Dennoch sollte der Sponsor User aus meiner Sicht den regulären User Research nicht ersetzen, da eine ausreichende Stichprobe von Nutzer:innen benötigt wird, um kognitive Verzerrungen zu minimieren und eine umfassende Perspektive zu erhalten. Zum regelmäßigen Einbringen von Wissen rund um Fachprozesse war der Austausch jedoch hervorragend geeignet und die Konzepte konnten im Weiteren in einer größeren Stichprobe vertestet werden.
Die Integration eines Sponsor Users in die Produktentwicklung ist aus meiner Sicht eine effektive Möglichkeit, interne Produkte an die Bedürfnisse aller Mitarbeiter:innen anzupassen und deren Akzeptanz und Effizienz zu steigern. B
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